Inflationsbekämpfung im post-pandemischen Zeitalter: Zentralbankstrategien im Vergleich

Inflationsbekämpfung im post-pandemischen Zeitalter: Zentralbankstrategien im Vergleich

Kaum war der Nebel der COVID-19-Pandemie ein wenig verzogen, klopfte ein alter Bekannter mit neuem Nachdruck an die Tür: die Inflation. Gerade als wir die Jogginghosen gegen Anzüge tauschten und das Homeoffice langsam verließen, mussten die Zentralbanken weltweit mit einer Preisdynamik kämpfen, die in dieser Geschwindigkeit und Intensität lange nicht mehr gesehen wurde. In diesem Beitrag werfen wir einen analytischen Blick auf die Inflationsbekämpfungsstrategien führender Zentralbanken im post-pandemischen Zeitalter – gewohnt sachlich, aber nicht trocken, wie es sich für einen Beitrag in der Rubrik Finanzmärkte und Regulierung gehört.

Die Ausgangslage: Eine Pandemie, viele Milliarden

Die Reaktion der Zentralbanken auf die wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Pandemie war ein monetäres Feuerwerk: Zinssenkungen gen Null oder sogar ins Negative, gepaart mit massiven Anleihekaufprogrammen. Diese expansive Geldpolitik hatte das Ziel, Liquidität bereitzustellen, Unternehmen und Haushalte zu unterstützen und eine Rezession zu verhindern. Das gelang – kurzfristig.

Langfristig jedoch führte dies, zusammen mit gestörten Lieferketten, geopolitischen Spannungen und einem Wiederaufflammen der Konsumnachfrage, zu einem signifikanten Anstieg der Verbraucherpreise. Laut Eurostat lag die Inflation in der Eurozone im Jahr 2022 zeitweise bei über 10 Prozent – ein Wert, den man in Frankfurt so nicht erwartet hatte.

Vergleich der Zentralbankstrategien: Ein konzeptioneller Überblick

Was also taten die Zentralbanken? Sahen sie tatenlos zu, wie das Gespenst der Inflation sich ausbreitete? Keineswegs. Doch die Reaktionen fielen unterschiedlich aus – sowohl hinsichtlich der Instrumente als auch der Intensität. Nachfolgend beleuchten wir die Strategien der vier bedeutendsten Akteure.

1. Europäische Zentralbank (EZB): Die Zögerliche mit Europa im Nacken

Die EZB hatte es, wie immer, mit einem Spagat zu tun: 20 Mitgliedsländer, unterschiedliche wirtschaftliche Ausgangslagen, divergierende Inflationsraten. Dennoch schwenkte auch sie 2022 auf einen restriktiveren Kurs um:

  • Zinserhöhungen: Seit Juli 2022 hob die EZB in mehreren Schritten den Leitzins an – zuletzt auf 4,00 % im Jahr 2023.
  • Auslaufen der Anleihekaufprogramme: Das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) wurde eingestellt, die Rückführung der Bilanzsumme eingeleitet.
  • Kommunikation als Instrument: Ähnlich wie einst Mario Draghi bereitete Christine Lagarde die Märkte durch deutliche Worte auf eine „neue Normalität“ vor.

Die EZB war jedoch insgesamt vorsichtiger als andere Zentralbanken – auch aus Furcht vor einem Auseinanderdriften der Kreditkosten in der Währungsunion.

2. Federal Reserve (Fed): Die Entschlossene mit historischer Erinnerung

Die US-amerikanische Notenbank Fed erinnerte sich, vermutlich nicht ohne inneren Schmerz, an die 1970er-Jahre. Damals hatte eine zu späte Reaktion zur sogenannten Great Inflation geführt. Dieses Mal wollte man entschlossener handeln – und tat genau das:

  • Aggressive Zinserhöhungen: Die Fed startete im März 2022 mit einer Serie von Leitzinserhöhungen und erreichte bis Anfang 2023 einen Leitzins von über 5 % – ein Niveau, das seit der Finanzkrise unbekannt war.
  • Quantitative Tightening (QT): Parallel zur Zinswende betrieb die Fed Bilanzverkürzung – ein Trendbruch zur ultraexpansiven Politik der Vorjahre.

Jerome Powell machte damit klar: Inflationsbekämpfung hat oberste Priorität – auch auf Kosten eines schwächeren Arbeitsmarkts oder einer kurzfristigen Rezession.

3. Bank of England (BoE): Der pragmatische Mittelweg

Im Vereinigten Königreich wirkte sich zusätzlich zu globalen Faktoren der Brexit inflationsverstärkend aus. Die BoE ging mit einem pragmatischen Kurs vor:

  1. Frühe Zinserhöhungen bereits Ende 2021 – also vor EZB und Fed.
  2. Flexible Kommunikation zur weiteren Vorgehensweise, um Spielräume bei zukünftigen Entscheidungen zu erhalten.
  3. Gleichzeitige Rücksichtnahme auf wirtschaftliche Schwächen wie stagnierendes Wachstum und hohe Energierechnungen.

Die BoE agierte somit eher wie ein balancierender Jongleur denn als kompromissloser Kämpfer – was nicht unbedingt falsch, aber auch nicht besonders wirkungsvoll war.

4. Schweizerische Nationalbank (SNB): Die Unsichtbare mit Wucht

Ja, auch in der Schweiz kennt man inzwischen Inflation. Und die SNB zeigte eine bemerkenswerte Entschlossenheit:

  • Unerwartete, aber präzise Zinssprünge: Seit Mitte 2022 hob die SNB mehrfach den Leitzins an – ein Tabubruch in einem Land, das jahrelang mit Negativzinsen lebte.
  • Stützung des Frankens: Die SNB ließ bewusst zu, dass der Schweizer Franken sich gegenüber dem Euro aufwertete, um importierte Inflation zu dämpfen.

Im Ergebnis zeigte der Ansatz Wirkung: Die Inflation in der Schweiz blieb deutlich geringer als in der Eurozone – ein Beleg dafür, dass auch kleine Länder mit klarer Kommunikation und zielgerichteten Maßnahmen viel erreichen können.

Wirkungsanalyse und Ausblick

Was haben wir gelernt? Erstens: Alle Zentralbanken haben auf ihre Weise gehandelt. Zweitens: Es gibt keinen Königsweg. Die unterschiedlichen Reaktionen zeigen vielmehr, dass geldpolitische Maßnahmen stets im Kontext struktureller und institutioneller Gegebenheiten gesehen werden müssen.

Während die Fed durch schnelles Handeln Vertrauen schuf, verzettelte sich die EZB zunächst im Abwägen. Die SNB überraschte mit Effizienz, während die BoE eher vorsichtig und abwartend agierte.

Ein Aspekt allerdings bleibt zentral: Vertrauen. Ohne das Vertrauen der Märkte in die Handlungsfähigkeit von Zentralbanken wird jede Maßnahme zur Inflationsbekämpfung frühzeitig untergraben. Die Kommunikationspolitik hat daher elementare Bedeutung – eine oft unterschätzte, aber entscheidende Komponente.

Fazit: Zinsen werden wieder sexy

Wer hätte das gedacht: In einer Welt scheinbar ewiger Nullzinspolitik heben wir heute wieder Zinsen hervor, als seien sie ein seltenes Kulturgut vergangener Zeiten. Doch die Rückkehr der Inflation hat klar gemacht:

Geldpolitik ist kein technokratischer Automatismus, sondern ein Instrument mit gesellschaftlicher Wirkung. Zentralbanken müssen neben ökonomischen auch politische und soziale Implikationen bedenken – und das Gleichgewicht wahren zwischen Preisstabilität, wirtschaftlicher Entwicklung und öffentlichem Vertrauen.

So bleibt zu hoffen, dass aus dem inflationären Intermezzo der letzten Jahre die richtigen Lehren gezogen werden. Für Ökonomen wie mich war es jedenfalls eine Praxisprüfung der Geldtheorie im Realbetrieb – spannend wie ein Krimi, nur mit weniger Schüssen und mehr Graphen.

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Finanzwissenschaftler mit jahrzehntelanger Erfahrung in Forschung und Beratung. Spezialist für Steuerpolitik und Regulierung, stark analytisch denkend und engagiert für monetäre Stabilität. Veranstaltet Seminare zu Finanzethik und hostet Fachwebinare über Makrotrends.

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