Bankenunion und Bail-In-Regeln: Wer schützt den Steuerzahler wirklich?

Bankenunion und Bail-In-Regeln: Wer schützt den Steuerzahler wirklich?

Seit der Finanzkrise 2008 ist nichts in der europäischen Bankenlandschaft mehr wie zuvor. Es wurde reformiert, reguliert und koordiniert – doch eines blieb konstant: die Sorge des Bürgers, dass letztlich er zur Kasse gebeten wird, wenn Großbanken ins Straucheln geraten. Im Zentrum dieser Debatten stehen zwei zentrale Mechanismen: die Bankenunion und die Bail-In-Regeln. Doch tun sie wirklich das, was sie sollen? Oder anders gefragt: Wer schützt den Steuerzahler wirklich?

Ein kurzer Rückblick: Warum die Banken gerettet werden mussten

Die Lehman-Pleite war der Weckruf. Plötzlich mussten Staaten weltweit tief in die Taschen greifen, um ihre Finanzsysteme zu stabilisieren. Die Rettungspakete waren gigantisch – und ihre Finanzierung lag letztlich beim Steuerzahler. Die Empörung war groß, der politische Handlungsdruck noch größer.

Als Reaktion wurde in der Europäischen Union die Bankenunion entworfen. Sie soll sicherstellen, dass Banken stabiler, Krisen systematisch aufgefangen und Steuerzahler nicht mehr zur Kasse gebeten werden.

Die drei Säulen der Bankenunion

Die Bankenunion basiert auf drei zentralen Pfeilern:

  1. Einheitlicher Bankenaufsichtsmechanismus (SSM – Single Supervisory Mechanism): Hier überwacht die EZB systemrelevante Banken in der Eurozone.
  2. Einheitlicher Abwicklungsmechanismus (SRM – Single Resolution Mechanism): Dieser Mechanismus sorgt dafür, dass marode Banken strukturiert abgewickelt werden können, ohne das System zu destabilisieren.
  3. Europäischer Einlagensicherungsmechanismus (EDIS – noch in Arbeit): Dieser dritte Pfeiler soll die nationale Einlagensicherung harmonisieren und langfristig auf europäischer Ebene bündeln.

Besonders relevant in der Debatte um den Schutz des Steuerzahlers ist der SRM – und im speziellen die sogenannten Bail-In-Regeln.

Was ist ein Bail-In?

Der Begriff „Bail-In“ beschreibt das Gegenteil von „Bail-Out“. Während beim Bail-Out externe Mittel – sprich: Steuergelder – zur Rettung einer Bank eingesetzt werden, sieht der Bail-In vor, dass zunächst die Gläubiger und Eigentümer der Bank haften. Dies kann beinhalten:

  • die Abschreibung von Schulden
  • die Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital
  • das Einfrieren von Forderungen

Kurz: Wer in eine Bank investiert oder ihr Kredit gibt, soll im Krisenfall auch das Risiko tragen – nicht der unbeteiligte Steuerzahler. Ein Konzept, das im ökonomischen Lehrbuch durchaus Sinn ergibt. In der Praxis jedoch gibt es Stolperfallen.

Fallbeispiel: Banco Popular 2017 – ein Musterfall?

Im Juni 2017 wurde die spanische Banco Popular unter dem Abwicklungsmechanismus der SRB (Single Resolution Board) abgewickelt – scheinbar ein Vorzeigefall. Gläubiger mussten Verluste hinnehmen, Aktionäre wurden enteignet, und die Bank wurde für den symbolischen Preis von einem Euro an Santander verkauft.

Keine staatliche Rettung, kein Steuergeld. Doch der Teufel liegt im Detail: Zahlreiche Privatinvestoren, die in vermeintlich sichere Anleihen investiert hatten, verloren ihre Ersparnisse. Die Transparenz über die Risikolage war im Vorfeld mangelhaft. Und juristische Nachklänge in Form von Sammelklagen bis heute nicht verstummt.

Was sagt uns das?

Bail-In klingt auf dem Papier wie ein Schutzmechanismus für die Öffentlichkeit. In der Realität kann es jedoch bedeuten, dass gutgläubige Kleinanleger als erste verlieren – während professionelle Investoren längst abgesichert sind.

Schattenseiten der Bankenunion: Ein Ordnungsökonom meldet sich zu Wort

Als überzeugter Ordnungsökonom betrachte ich die Bankenunion mit einer Portion Skepsis – und ebenso einer Prise preußischen Realismus’. Die Intention ist löblich, doch:

  • Regulierungsarbitrage bleibt ein Problem: Banken können Geschäfte in weniger strikt regulierte Länder verlagern.
  • Der Einlagensicherungsfonds ist unvollständig: Solange EDIS nicht vollständig umgesetzt ist, bleibt die Sicherheit lückenhaft.
  • Der politische Einfluss ist nicht gebannt: In Krisensituationen entscheiden immer noch Politiker – unter enormem Druck.

Und was tun Politiker in Krisensituationen? Genau: retten. Nicht aus purem Altruismus, sondern aus Sorge vor Systemkollaps, Protesten, Wählerverlust. Damit steckt der Finger wieder im Honigtopf des Fiskus – finanziert von ebenjenem Steuerzahler, den man schützen wollte.

Was müsste geschehen, um wirklich Sicherheit zu schaffen?

Ein effektiver Schutz des Steuerzahlers setzt mehr voraus als institutionelle Neuregelungen. Es bedarf eines grundlegenden Paradigmenwechsels:

  1. Stärkung der Marktdisziplin: Investoren müssen realisieren, dass Risiken real sind – auch für Banken.
  2. Verringerung der Verflechtung zwischen Banken und Staaten (“Bank-Sovereign Doom Loop”): Staaten dürfen ihre Banken nicht endlos stützen, Banken nicht unbegrenzt Staatsanleihen halten.
  3. Transparenz gegenüber Anlegern: Wer ein Bail-In-Risiko trägt, muss es auch verstehen können – durch klare Kennzeichnung und Aufklärung.
  4. Haftungskaskaden einhalten: Aktionäre, dann Nachranggläubiger – erst wenn diese Reihenfolge versagt, darf über staatliche Hilfe gesprochen werden.

Und der Steuerzahler?

Er trägt immer Verantwortung – als Wähler, als Anleger, als Bürger. Doch die strukturelle Verantwortung muss in ein robustes, berechenbares System überführt werden. Rettungsaktionen im Stil von “Whatever it takes” (Draghi) mag kurzfristig Stabilität suggerieren, doch sie zementieren Fehlanreize.

Ein System, das jedes Risiko sozialisieren kann, produziert exzessive Risikobereitschaft. Die sogenannte moralische Gefahr (“Moral Hazard”) ist nicht behoben, solange Banken glauben, im Notfall aufgefangen zu werden – egal durch wen.

Fazit: Kein Freifahrtschein für die Banken – aber auch kein naiver Glaube an Wunderregeln

Die Bankenunion und die Bail-In-Regeln sind wichtige Bausteine auf dem Weg zu einem stabileren Finanzsystem. Sie sind nicht perfekt, aber besser als das vorherige Flickwerk. Doch echte Sicherheit für den Steuerzahler erfordert mehr Mut zur Konsequenz, weniger politische Opportunität und eine echte Fehlerkultur in der Finanzbranche.

Systeme können schützen – doch nur, wenn wir sie auch anwenden, wenn es ernst wird. Und da hapert es oft. Für den informierten Bürger bleibt daher nur eines: aufklären, einmischen, verstehen.

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Finanzwissenschaftler mit jahrzehntelanger Erfahrung in Forschung und Beratung. Spezialist für Steuerpolitik und Regulierung, stark analytisch denkend und engagiert für monetäre Stabilität. Veranstaltet Seminare zu Finanzethik und hostet Fachwebinare über Makrotrends.

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