
Die Rückkehr der Industriepolitik: Finanzmarktsicht auf Staatsinterventionen
Die Rückkehr der Industriepolitik: Finanzmarktsicht auf Staatsinterventionen
Ist es ein Déjà-vu? In den letzten Jahren beobachten wir ein Phänomen, das vielen Beobachtern wie ein Rückschritt erscheint: Die industrielle Lenkung durch den Staat kehrt zurück. Die sogenannte Industriepolitik ist wieder salonfähig geworden – und das in einem Umfeld, das jahrzehntelang dem Primat des Marktes verpflichtet war. Als erfahrener Professor für Finanzmarktregulierung nehme ich Sie heute mit auf eine Tour durch diesen Paradigmenwechsel – analytisch, kritisch, aber ohne Zynismus. Denn wie wir Finanzmärkte lenken (oder sie uns lenken lassen), betrifft uns alle.
Was bedeutet „Industriepolitik“ eigentlich?
Für alle, die lieber mit Zahlen als mit abstrakten Begriffen arbeiten: Industriepolitik bedeutet, dass der Staat bewusst in wirtschaftliche Prozesse eingreift, um bestimmte Branchen oder Technologien zu fördern. Es geht nicht nur um Infrastruktur oder Bildung, sondern um gezielte Eingriffe – Subventionen, steuerliche Vorteile, Regulierung, gar Beteiligungen an Unternehmen. In der Praxis handelt es sich um eine Mischung aus Schirmherrschaft und pöbelnder Onkel: wohlmeinend, aber nicht immer elegant.
Historischer Hintergrund: Vom Ordoliberalismus zur Staatsräson
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Industriepolitik ein festes Element der wirtschaftlichen Steuerung. Aber spätestens mit der neoliberalen Wende der 1980er wurde der Staat aus der Wirtschaft „herausverhandelt“ – getrieben von der Ideologie, dass Märkte effizienter seien als Bürokraten. Dieses Dogma ist nun ins Wanken geraten.
Ob globale Lieferketten, die im Zuge der COVID-19-Pandemie zusammenbrachen, oder die geopolitischen Spannungen mit China – die politische Unsicherheit hat marktwirtschaftliche Selbstheilungskräfte in Frage gestellt. Industriepolitik erscheint plötzlich als Mittel zur wirtschaftlichen Resilienz. Aber was bedeutet das für die Finanzmärkte?
Finanzmärkte als Spiegel staatsinterventionistischer Ambitionen
Die Reaktion der Finanzmärkte auf die Rückkehr der Industriepolitik ist – wie immer – nicht monolithisch. Vielmehr beobachten wir differenzierte Entwicklungen:
- Aktienindizes reagieren positiv auf Förderprogramme in Zukunftstechnologien wie Halbleiter, grüne Energie oder Digitalisierung.
- Anleihemärkte zeigen sich beunruhigt über steigende Staatsverschuldung – insbesondere, wenn Subventionen langfristig wirken sollen, aber kurzfristig bezahlt werden müssen.
- Währungen reagieren auf nationale Industriepläne unterschiedlich – ein umfangreiches Programm kann als Stärke oder als Belastung interpretiert werden.
Was bedeutet das in der Praxis? Wer in grüne Technologien investiert, kann in Zeiten staatlicher Unterstützung mit Rückenwind rechnen. Aber: Die Gefahr der Fehlallokation von Kapital durch politische Lenkung bleibt bestehen. Und Finanzmärkte sind bekanntlich nur so effizient wie die Informationen, auf denen sie beruhen – und die staatlichen Strategiepapiere sind nicht immer das, was man als transparent bezeichnen würde.
EEAT: Vertrauen in staatlich unterstützte Sektoren?
In der Welt von Google und AdSense ist ein Prinzip entscheidend: Experience, Expertise, Authoritativeness, Trustworthiness (EEAT). Und genau diese vier Säulen lassen sich auch auf die Finanzierung von wachstumsorientierten Industriesektoren anwenden. Denn Vertrauen ist – gerade aus der Sicht von Investoren – entscheidend:
- Experience: Hat der Staat Erfahrung in diesem Sektor? Subventionen für Chipfabriken wirken glaubwürdiger, wenn bereits Ingenieurskapazitäten vorhanden sind.
- Expertise: Verstehen die Entscheider den Markt, in dem sie intervenieren? Oder ist es politisch motivierter Aktionismus?
- Authoritativeness: Wie stark ist die institutionelle Infrastruktur zur Umsetzung der Pläne – Ministerien, Behörden, Gesetzgebung?
- Trustworthiness: Sind Zusagen langfristig und glaubwürdig? Vertrauen die Märkte auf ein kohärentes politisches Handeln?
Staatlich geförderte Industrien, wie etwa die Batteriezellenherstellung oder Wasserstoffproduktion, müssen sich diesem Vierklang stellen. Und nur wenn alle vier Komponenten stimmen, wird auch der Kapitalmarkt sich langfristig positiv positionieren.
Beispiele aktueller Industriepolitiken
Schauen wir auf konkrete Fälle, die derzeit auf den Finanzmärkten diskutiert werden:
- USA: Der „Inflation Reduction Act“ setzt gezielt auf grüne Technologien – mit massiven steuerlichen Anreizen. Die Tech-Börsen an der Nasdaq jubeln, während die Bondmärkte nervös die Fiskaldaten beobachten.
- EU: Der „Green Deal Industrial Plan“ setzt auf Nachhaltigkeit und Technologieförderung. Doch die Fragmentierung zwischen den Mitgliedsstaaten erschwert die Kapitalallokation erheblich.
- Deutschland: Das „Batteriezellwerk in Sachsen“ wird zum Testfall für Industriepolitik „Made in Germany“. Anleger sehen enormes Potenzial, aber auch viele regulatorische Risiken.
Die Implementierung entscheidet. Denn während Ankündigungen politische Symbolkraft besitzen, zählt am Ende die Umsetzungsfähigkeit – und diese ist in vielen Ländern (um es höflich zu sagen) ausbaufähig.
Risiken und Nebenwirkungen für Finanzmärkte
Natürlich ist nicht alles Gold, was staatlich glänzt. Industriepolitik kann folgende Risiken mit sich bringen:
- Marktverzerrungen: Ineffiziente Unternehmen werden künstlich am Leben erhalten – die Finanzmärkte verlieren ihr Korrektiv.
- Staatsabhängigkeit: Wenn ganze Sektoren von Subventionen leben, schrumpft der unternehmerische Anreiz zur Innovation.
- Politisches Risiko: Regierungswechsel können Industriepolitiken radikal ändern – wer heute Solarzellen fördert, könnte morgen Ölsubventionen vergeben.
Für institutionelle Investoren bedeutet das: Eine sorgfältige Risikoabwägung ist das A und O. Und Retail-Investoren? Sie sollten sich nicht blenden lassen – staatliche Förderung ist kein Garant für wirtschaftlichen Erfolg.
Fazit: Der Staat als Akteur – Chance oder Bürde?
Die Rückkehr der Industriepolitik ist kein modischer Spleen, sondern die wirtschaftspolitische Antwort auf eine neue Weltlage: multipolare Machtverhältnisse, technologische Umwälzungen und fragile Lieferketten. Für die Finanzmärkte eröffnet das neue Chancen – aber auch neue Unsicherheiten.
Mein Rat als langjähriger Beobachter und Professor: Weder Euphorie noch Apokalypse sind angebracht. Es gilt, staatliche Interventionen als das zu sehen, was sie sind – ein Instrument unter vielen. Ob daraus wirtschaftlicher Fortschritt oder bürokratische Sackgasse wird, hängt von der Kompetenz der Akteure ab. Und – wie immer – vom Vertrauen der Märkte.
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