Angemessene Bankenregulierung oder Überregulierung? Eine ökonomische Gratwanderung

Angemessene Bankenregulierung oder Überregulierung? Eine ökonomische Gratwanderung

Willkommen in der faszinierenden Welt zwischen Paragraphen und Profit, zwischen Regulierung und Risiko. Ich, Prof. Dr. Klaus-Werner Schneider, lade Sie ein zu einem ökonomischen Drahtseilakt – ohne Netz, aber mit einem scharfen Blick für die Balance. Heute widmen wir uns der Frage: Ist die aktuelle Bankenregulierung notwendig oder bedeutet sie eine lähmende Überregulierung? Denn irgendwo zwischen dem letzten Finanzcrash und der nächsten Basel-Richtlinie liegt die Wahrheit. Vielleicht.

Warum wir Regulierung überhaupt brauchen

Sie erinnern sich? 2008, Wall Street: eine Mischung aus Größenwahn, abstrakten Finanzkonstrukten und Gier. Das globale Finanzsystem stolperte, taumelte und fiel beinahe in sich zusammen. Seitdem wurde massiv reguliert – mit teilweise strengen Anforderungen an Eigenkapital, Liquidität und Geschäftsmodelle von Banken.

Die Idee war simpel: Risiken minimieren, Vertrauen schaffen, Finanzstabilität sichern. So weit, so vernünftig. Doch wie viel Regulierung ist zu viel? Wo endet der notwendige staatliche Rahmen und beginnt die übertriebene Einmischung?

Die Grundfunktionen der Regulierung:

  • Prävention systemischer Krisen: Niemand will einen zweiten Lehman Brothers-Moment.
  • Schutz von Einlegern: Banken müssen mehr sein als Glückspielhallen im Maßanzug.
  • Finanzielle Integrität: Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung – alles Dinge, die wir nicht im Finanzsystem wollen.

Doch mit jeder neuen Regulierung wächst auch der bürokratische Aufwand. Die Compliance-Abteilungen vieler Banken wachsen schneller als ihre Kreditportfolios. Da fragt man sich: Ist das noch gesund – ökonomisch gesehen?

Der Drahtseilakt: zwischen Kontrolle und Kapitalflucht

Ein wirklich brillanter Banker sagte einst zu mir: „Die Regulierer haben uns beigebracht, wie man sicher untergeht.“ Natürlich überspitzt. Aber darin steckt ein Körnchen Wahrheit. Die Regulierung schränkt Risikofreude ein – was gut ist – kann aber auch Innovationen ausbremsen.

Kreditvergabe, neue Finanzprodukte, Fintech-Kooperationen – alles gerät unter Druck, wenn jede Idee erst durch 27 Gremien, 8 Gutachten und ein halbes Jahr Compliance-Schleife muss.

Typische Spannungsfelder:

  1. Eigenkapitalanforderungen: Dank Basel III müssen Banken mehr Kapital vorhalten. Aber zu viel davon blockiert Investitionen.
  2. Stresstests: Gut zur Früherkennung, aber sie können auch Panik auslösen – ganz ironisch.
  3. Berichtspflichten: Transparenz ist Gold – doch manchmal wird das Reporting selbst zum Selbstzweck.

Das Ergebnis? Kleine und mittelgroße Banken stöhnen unter der Last. Manche ziehen sich aus bestimmten Märkten zurück. Und internationale Banken verlagern Aktivitäten – dorthin, wo die Spielregeln weicher sind. Kapital ist eben wie Wasser: Es sucht sich stets den Weg des geringsten Widerstands.

Europa als Vorreiter – oder Bürokratiemonster?

Die Europäische Union gilt als Musterschüler in Sachen Bankenregulierung. Mit Systemrelevanzprüfungen, Harmonisierung und makroprudenziellen Maßnahmen ist man ambitioniert unterwegs. Doch manchmal wirken die Vorschriften wie eine Oper ohne Applaus: viel Aufwand, kaum Emotion, wenig Flexibilität.

Der EU-Bankenunion mangelt es beispielsweise an einem einheitlichen Einlagensicherungssystem – ein zentrales Glaubwürdigkeitsproblem in der Krise. Gleichzeitig reguliert man fleißig neue Felder: ESG-Vorschriften, digitale Assets, Sustainable Finance. Alles gut gemeint – aber gut gemacht?

Was sagt die Wissenschaft?

Laut einer Studie des Instituts für Finanzmarktregulierung (2022) sinkt die Rentabilität europäischer Banken seit der Einführung neuer Regulierungsmaßnahmen stetig. Die Kosten für Compliance stiegen durchschnittlich um 18 % seit 2015 – während die Margen schrumpfen. Besonders betroffen: Sparkassen und Genossenschaftsbanken.

In einem Bericht des IWF (2023) heißt es: „Overregulation may lead to market fragmentation and risk-transferring rather than risk-reducing behavior.“ Anders gesagt: Man kann Risiken nicht verbieten, man kann sie nur verschieben. Nur wohin?

Wann Regulierung ins Gegenteil kippt

Überregulierung entsteht dann, wenn die Nebenwirkungen größer sind als der Nutzen. Wenn eine Bank mehr Zeit mit Formularen als mit Kunden verbringt. Wenn Innovationen unterdrückt werden. Oder wenn große Player sich neue Schlupflöcher suchen – etwa über Schattenbanken oder außerbilanzielle Konstrukte.

Gefahr droht auch durch Gesetzgebung „auf Vorrat“. Regulierer versuchen zunehmend, Herausforderungen zu antizipieren – etwa durch pauschale Verbote von Kryptowährungen oder hochkomplexe ESG-Kriterien. Das kann zu Fehlallokationen führen. Und zu einem Frust, der wachstumshemmend wirkt.

Wege zur besseren Balance

Nun ja, ein bisschen Hoffnung muss sein. Denn es gibt Strategien, um Regulierung zielgerichtet, differenziert und effizient zu gestalten. Hier mein kleiner Werkzeugkasten – gratis, aber nicht umsonst:

1. Proportionalität

Regulierung muss sich an der Größe und dem Risiko einer Bank orientieren. Ein regionales Kreditinstitut darf nicht behandelt werden wie ein global systemrelevanter Finanzriese.

2. Technologische Unterstützung

RegTech – also die Digitalisierung der Regulierung – kann helfen, Meldepflichten effizient zu gestalten und menschliche Fehler zu reduzieren.

3. Dialog statt Monolog

Auf Augenhöhe mit den Instituten kommunizieren. Rückkopplungsschleifen einbauen. Lernen, evaluieren, anpassen. Denn Regulierung ist keine Einbahnstraße.

4. Internationale Koordination

Während Geldströme global agieren, bleibt Regulierung oft national. Ein stärkerer Konsens – etwa im Rahmen der G20 oder des Financial Stability Board – wäre ein Gewinn.

Fazit: Regulierung braucht Maß und Mitte

Wie bei jeder Gratwanderung geht es ums Gleichgewicht. Wir brauchen genügend Regulierung, um das Vertrauen ins Finanzsystem zu sichern. Aber wir müssen aufpassen, dass wir dem System nicht die Dynamik rauben, die es zum Atmen braucht. Der Markt ist kein Chaos – aber auch kein Uhrwerk.

Es gilt, Risiken intelligent zu steuern – und nicht mit Vorschriften zu erdrücken. Denn die Geschichte zeigt: Starke Banken brauchen starke Regeln. Aber auch Vertrauen, Gestaltungsfreiräume und klare Verantwortlichkeiten.

Und falls Sie fragen: Ja, ich glaube an Regulierung – aber nur an die, die denkt, lernt, und Platz für Wirtschaft lässt.

Bei Fragen oder Anregungen wenden Sie sich gern an unser Kontaktformular oder erfahren Sie mehr über uns.

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Finanzwissenschaftler mit jahrzehntelanger Erfahrung in Forschung und Beratung. Spezialist für Steuerpolitik und Regulierung, stark analytisch denkend und engagiert für monetäre Stabilität. Veranstaltet Seminare zu Finanzethik und hostet Fachwebinare über Makrotrends.

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