
Von Greenspan zu Powell: US-Zentralbankpolitik aus europäischer Sicht
Von Greenspan zu Powell: US-Zentralbankpolitik aus europäischer Sicht
Wenn man über Geldpolitik spricht, blickt Europa oft gebannt über den Atlantik. In den beeindruckenden Hallen der Federal Reserve wurden in den letzten Jahrzehnten geldpolitische Schlachten geschlagen, Zinsen gehoben und gesenkt, Märkte beruhigt und zugleich nervös gemacht. Vom „Maestro“ Alan Greenspan über den pragmatischen Ben Bernanke bis hin zum analytisch präzisen Jerome Powell – die Präsidenten der US-Zentralbank haben nicht nur die ökonomische Landschaft Amerikas, sondern auch das globale Finanzsystem mitgestaltet.
In diesem Artikel werfen wir einen dezidierten Blick auf die Entwicklung der Fed-Politik aus einer europäischen Perspektive. Dabei betrachten wir nicht nur die geldpolitischen Instrumente und Strategien, sondern analysieren auch die Rezeption und die Auswirkungen dieses Vorgehens auf europäische Märkte. Und weil wir uns im kapitalmarktorientierten Dschungel ohnehin bewegen, gönnen wir uns auch einen Hauch schmunzelnder Ironie – wie es der gute alte Prof. Dr. Klaus-Werner Schneider eben tun würde.
Alan Greenspan: Der Mythos vom Marktflüsterer
Beginnen wir mit Alan Greenspan – ein Name, der in ökonomischen Fachkreisen mit Ehrfurcht (und teils mit Skepsis) ausgesprochen wird. Vom Jahr 1987 bis 2006 leitete Greenspan die Fed – eine Ära, in der Wirtschaftswachstum und Börsenerfolge scheinbar unaufhaltsam waren. In Europa blickte man neidisch auf die flexible Reaktion der Fed auf makroökonomische Signale, insbesondere nach dem Dotcom-Crash.
Was Greenspan auszeichnete, war seine fast mystische Fähigkeit, Märkte allein durch seine Worte zu bewegen. Legendär sind seine kryptischen Aussagen, bei denen selbst literarische Germanisten ins Schwitzen gekommen wären. Europa, wo Zentralbanker in der Regel nüchtern und diszipliniert agieren, schüttelte zwar gelegentlich den Kopf über Greenspans Rhetorik, bewunderte jedoch seine scheinbar unfehlbare Kontrolle über das Marktvertrauen.
Gefährliche Nähe zur Finanzindustrie?
Doch nicht alles glänzte. Europas Ökonomen warnten bereits frühzeitig vor der „Greenspan-Put“ – der Erwartung, dass die Fed bei jedem Börsentief eingreift. In Brüssel und Frankfurt fragten sich viele, ob eine solche implizite Garantie langfristig das Risikoappetit der Märkte gefährlich erhöht. Die Antwort lieferte letztlich die Finanzkrise von 2008 – ein indirektes Kind der ultralockeren Geldpolitik, deren Grundstein auch auf Greenspans Schreibtisch lag.
Ben Bernanke: Der Professor im Sturm
Mit Ben Bernanke zog ein akademischer Makroökonom ins Fed-Hauptquartier ein, der sich mit der Großen Depression mindestens so gut auskannte wie mit seiner Krawattensammlung. Sein großer Moment kam 2008 – und Europa hielt den Atem an. Während die Europäische Zentralbank (EZB) noch zögerte, packte Bernanke beherzt die Bazooka aus: Zinssenkungen, Liquiditätsspritzen, quantitative Lockerung (QE). Die Fed trat auf das geldpolitische Gaspedal – mit europäischem Staunen (und später auch Nachahmung).
QE: Ein transatlantisches Missverständnis?
Während die US-Märkte dank QE bald wieder die Kurven nach oben zeigten, diskutierten europäische Ökonomen heftig über die Legitimität solcher Maßnahmen. Die Bundesbank murmelte Begriffe wie „Staatsfinanzierung durch die Hintertür“, während Draghi später mit seinem berühmten „Whatever it takes“ ebenfalls zum geldpolitischen Feuerwehrmann avancierte. Faktisch aber hat Bernanke die globale Geldpolitik revolutioniert – und Europa folgte ihm, wenn auch mit einiger Verspätung und typisch kontinentaler Vorsicht.
Janet Yellen: Der Übergang mit Fingerspitzengefühl
Janet Yellen übernahm das Ruder in einer Phase der Normalisierung und zeigte enorme Präzision und Sensibilität in ihrer Kommunikation. Ihre Zinshebung 2015 – die erste seit fast einem Jahrzehnt – war so gut vorbereitet, dass kaum eine Turbulenz entstand. Europäische Zentralbanken nahmen sich ein Beispiel an dieser Forward Guidance – genauer gesagt, sie kopierten sie mit akademischer Euphorie.
In Europas wirtschaftswissenschaftlichen Symposien lobte man Yellens methodisches Vorgehen, wenn auch ihre Betonung von Beschäftigung bei gleichzeitiger Preisstabilität kritisch diskutiert wurde. Die duale Zielsetzung der Fed – Vollbeschäftigung und Preisstabilität – steht im Kontrast zur reinen Preisstabilitätsmaxime der EZB. Ein struktureller Unterschied, der insbesondere in krisenhaften Zeiten zu divergierenden Maßnahmen führt.
Jerome Powell: Der Pragmatiker der Gegenwart
Wer hätte gedacht, dass ein Jurist und Investmentbanker wie Powell mit solch analytischer Präzision agieren würde? Seit 2018 steht Jerome Powell an der Spitze der Fed und musste sich sogleich den Auswirkungen des Handelskriegs, der Pandemie und der inflationären Rückkehr stellen.
Powells Politik ist durch Pragmatismus und Marktvertrautheit geprägt. Anders als seine Vorgänger vermeidet er den Karaokesaal akademischer Debatten und spricht Klartext – nicht ohne Wirkung. Europas Makroökonomen registrieren mit Wohlwollen einen neuen europäischen Einschlag in der Kommunikation: verständlich, transparent, analytisch.
Inflation, Zinsen und globale Koordination
Die jüngste Inflationswelle stellte Powell vor enorme Herausforderungen. Seine entschlossenen Zinserhöhungen beeinflussten nicht nur US-Märkte, sondern zogen auch Kapitalströme massiv aus Europa ab – in Richtung der „sicheren Häfen“ amerikanischer Anleihen. Die EZB musste reagieren, wenngleich ihr Reaktionsspielraum durch die Verschuldung südeuropäischer Staaten begrenzt war. Man erkennt: Die Fed-Politik wirkt nicht lokal, sondern global – und Europa bleibt stets mit im Boot, ob es will oder nicht.
Fazit: Transatlantischer Dialog auf geldpolitischer Ebene
Von Greenspan zu Powell zeigt sich ein Bogen kontinuierlicher Anpassung und geldpolitischer Innovation, der in Europa nicht nur beobachtet, sondern zunehmend reflektiert und adaptiert wurde. Die US-Zentralbank ist nicht bloß politischer Akteur in Washington D.C., sondern ein globales Gravitationszentrum, dessen Entscheidungen selbst an der Börse in Frankfurt oder der Banque de France in Paris unmittelbar spürbar sind.
Für europäische Entscheidungsträger ergibt sich daraus eine doppelte Herausforderung: eigene Strukturen bewahren und zugleich transatlantische Entwicklungen integrieren. Wie sagte der französische Ökonom Jacques Attali einst so treffend: „Europa muss lernen, in einer Welt zu navigieren, die es nicht bestimmt – aber die es entscheidend mitprägt.“
In diesem Sinne bleibt ein kontinuierlicher kritischer Diskurs essenziell – mit Blick auf Transparenz, Wirkung und Nachhaltigkeit von Zentralbankpolitik. Und ja – ein bisschen Selbstironie über die eigene akademische Ernsthaftigkeit darf dabei ruhig sein.
Mehr über uns
Erfahren Sie mehr über unser Team auf unserer Über uns-Seite oder nehmen Sie Kontakt zu uns auf.
Leave a Reply