
Was kommt nach MiFID II? Ein Ausblick auf das nächste Regelwerk
Was kommt nach MiFID II? Ein Ausblick auf das nächste Regelwerk
Die Finanzmärkte schlafen nie. Auch der Gesetzgeber kennt keine Pausen, wenn es um die Regulierung unseres komplexen und fragilen Finanzsystems geht. Mit der „Markets in Financial Instruments Directive II“, kurz MiFID II, schien Brüssel einen Meilenstein in der europäischen Finanzmarktregulierung gesetzt zu haben. Doch wie jeder Anleger weiß: nach der Reform ist vor der Reform.
Ich, Prof. Dr. Klaus-Werner Schneider, nehme Sie mit auf eine analytische, manchmal augenzwinkernde, aber stets faktenbasierte Reise in die Zukunft möglicher Regulierungsansätze im europäischen Finanzsystem. Was könnte nach MiFID II kommen? Worauf müssen sich Banken, Vermögensverwalter und Anleger in den kommenden Jahren einstellen?
Ein kurzer Rückblick: Was war MiFID II?
MiFID II trat am 3. Januar 2018 in Kraft und sollte eigentlich das leisten, was wir in der Wissenschaft gern als „präventive Systemstabilisierung“ bezeichnen. Zu den wichtigsten Zielen gehörten:
- Stärkung der Transparenz auf Kapitalmärkten
- Verbesserung des Anlegerschutzes
- Regulierung des algorithmischen und Hochfrequenzhandels
- Schaffung einheitlicher Regeln für den Wertpapierhandel innerhalb der EU
Gut gemeint ist jedoch nicht immer gut gemacht. Die Regelungen führten zu einem kaum zu überblickenden Bürokratieaufwand, vor allem bei kleinen Finanzdienstleistern. Und der Investor? Der sah sich plötzlich mit 40-seitigen Produktoffenlegungen konfrontiert, deren Lektüre mitunter mehr Zeit beanspruchte als eine komplette Steuererklärung.
Warum MiFID III – oder etwas Besseres – notwendig ist
Die Welt hat sich weitergedreht. Seit 2018 hat sich das Finanzsystem erneut verändert – Stichworte wie Digitale Assets, Nachhaltigkeit (ESG) und Dezentralisierung fordern den Regulierer heraus. Folgende Entwicklungen werfen Fragen auf, die MiFID II nicht mehr zufriedenstellend beantworten kann:
- Was bedeutet Anlegerschutz im Zeitalter von Kryptowährungen und dezentralen Börsen?
- Wie lässt sich ESG-Integration rechtssicher regulieren?
- Welche Regeln brauchen Finfluencer, die Millionen junger Menschen „Finanztipps“ geben?
Wenn wir ehrlich sind – und ich als Hochschulprofessor muss das sein –, ist MiFID II in einigen Bereichen bereits heute ein Regulierungs-Dinosaurier. Und die Evolution schreitet voran.
Die nächsten Schritte: MiFID III oder neue Wege?
Die Europäische Kommission hat bereits verlauten lassen, dass eine Überarbeitung von MiFID II angedacht wird. Erste Konsultationen wurden durchgeführt, Arbeitsgruppen gebildet, und ja – es wurde bereits ein Akronym herumgereicht: MiFID III.
Doch nicht alle sind sich sicher, ob es erneut „nur“ eine Weiterentwicklung sein darf. Diskutiert wird ebenso über komplett neue Rahmensetzungen, etwa im Sinne einer „Digital Finance Directive“. Möglich wäre auch eine stärkere Verzahnung mit anderen EU-Initiativen, etwa der Markets in Crypto-Assets Regulation (MiCA) oder der EU-Taxonomie im Bereich nachhaltiger Anlagen.
Was könnte konkret kommen?
Basierend auf aktuellen politischen und ökonomischen Diskussionen, zeichnen sich einige Regulierungstrends ab, die das nächste große Regelwerk prägen dürften:
- Verpflichtende ESG-Informationen: Finanzberater könnten dazu verpflichtet werden, Nachhaltigkeitspräferenzen noch schärfer abzufragen und Empfehlungen entsprechend anzupassen.
- Strengere Regeln für digitale Vermögenswerte: Plattformen für Kryptowährungen und Tokenisierung könnten nach bankähnlichen Maßstäben beaufsichtigt werden.
- Verhaltensregeln für digitale Kommunikation: Social Media, Influencer und persönliche Beratung per Messenger – all das könnte standardisiert und verpflichtend protokolliert werden.
- Effektiverer Bürokratieabbau: Eine paradoxe Hoffnung vielleicht – aber selbst die EU hat inzwischen erkannt, dass „mehr Papier“ nicht automatisch „besserer Schutz“ bedeutet.
Kritik am Regulierungseifer: Ist weniger manchmal mehr?
Ein alter Juristen-Witz besagt: „Wenn Paragraphen Bäume wären, bräuchte Europa bald eine zweite Erde.“ In der Realität stellt sich die Frage, ob immer neue Regulierungswellen wirklich zur Stabilität beitragen – oder ob sie lediglich neue Schlupflöcher, unnötige Kosten und neue Wettbewerbshürden schaffen.
Studien der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) zeigen, dass klein- und mittelgroße Unternehmen durch überregulierte Prozesse zunehmend aus dem Markt gedrängt werden. Auch Anlegerfokus und -vertrauen leiden dann, wenn jedes Produktinformationsblatt ein juristisches Minenfeld ist.
Was bedeutet das für Finanzakteure?
Ob Vermögensverwalter, Banken oder FinTechs – alle Marktteilnehmer müssen sich auf eine regulatorische Zukunft vorbereiten, die:
- komplexer,
- technisch anspruchsvoller und
- noch stärker datengetrieben
sein wird. Derjenige, der sich frühzeitig mit IT-Infrastruktur, ESG-Kompetenz und digitaler Compliance beschäftigt, wird im Vorteil sein. Wer dagegen wartet, bis die finale Richtlinie in Kraft tritt, hat in einem sich rasant wandelnden Marktumfeld schon verloren.
Fazit: Wandel als Dauerzustand
In meinem beruflichen Werdegang – ob als Wirtschaftsprüfer, Kanzleiberater oder Professor für Finanzrecht – habe ich gelernt: Regulierung ist kein Projekt mit Anfang und Ende, sondern ein fortwährender Prozess. Die Zukunft nach MiFID II wird kein Reset sein, sondern ein Update – oder vielleicht ein ganz neues Betriebssystem.
Finanzmärkte sind lebendige Organismen, und die Regulierung ist ihre DNA. Das Ziel sollte daher nicht maximale Kontrolle um jeden Preis sein, sondern ein Rahmen, der Innovation, Transparenz und Vertrauen zugleich ermöglicht. Denn Sicherheit ohne Dynamik ist Stagnation – und die hat uns historisch immer teuer zu stehen bekommen.
Bleiben Sie informiert, bleiben Sie kritisch und – wenn möglich – auch ein bisschen kreativ. Denn auch in der Finanzregulierung gilt: Wer nur reagiert, kommt zu spät.
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